Archive for März 2009

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Tim Wiese – ein Proll wird erwachsen

26. März 2009

Es war ein Donnerstag, der den Lebenslauf von Tim Wiese um eine nicht ganz unbedeutende Kategorie erweiterte. Dort stand bisher lediglich „Bundesligatorhüter“. Am 14. August 2008 kam „Nationalspieler“ hinzu. Rene Adler, damals die Nummer Zwei hinter Robert Enke, zog sich im Training eine Verletzung zu, Bundestrainer Löw hatte plötzlich einen Torwart zu wenig. Wiese war fit. Und stand bereit.

Nach dem mehr oder weniger freiwilligen Rücktritt von Jens Lehmann nach der EM 2008 waren Enke und Adler zur Nummer Eins bzw. Nummer Zwei aufgerutscht. Ein eindeutiges Bekenntnis zu dieser Rangfolge fehlte – und fehlt bis heute. Das Volk gab damals in mehreren Medien seine eindeutige Meinung ab. Adler, und nicht Enke, sollte die Nachfolge von Jens Lehmann antreten, was verständlich war nach den Leistungen des Leipzigers in Diensten von Bayer Leverkusen in jener Zeit. Doch wie für jeden Torhüter irgendwann, kam auch für Adler eine Zeit, in der er sich am liebsten aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hätte. Der 24-Jährige machte Fehler, auf dem Platz wohlgemerkt, nicht daneben. Das war immer eher das Metier von Tim Wiese. Mehrfach hatte er nach Nominierungen, bei denen er mal wieder übergangen worden war, trotzig seinen Unmut in jede Kamera und jeden Journalistenblock geäußert, die ihm unter die Nase gehalten wurden. Das hat seinem Ansehen bei Joachim Löw natürlich nicht geholfen, der hatte mit Gegentrotz reagiert und Wiese weiter ignoriert. Bis zum 14. August 2008.

Wiese nach seiner der Nominierung: „Jetzt habe ich den Fuß in die Tür bekommen.“

Und er ließ ihn drin. Mit souveränen Auftritten in der Bundesliga und vor allem souveränem Auftreten bei der Nationalmannschaft. Wenn man Wiese dort sieht, ist er manchmal nicht wiederzuerkennen. Ruhig, besonnen, fast unauffällig verrichtet er seine Arbeit – und zwar herausragend. Das hat nicht nur mit den elf Kilogramm zu tun, die er nach und nach nicht nur an Muskelmasse abbaute, sondern auch mit einer neuen Mentalität. Flapsig könnte man sagen, dass Wiese nun weiß, wie der Hase läuft. Formal, dass Wiese erwachsen geworden ist. Das hat gedauert, der Mann ist bereits 27, aber bei Torhütern dauert es eben manchmal ein bisschen länger. Vor allem bei solchen, die den Großteil ihrer Jugend auf dem Trainingsplatz oder im Kraftraum verbracht haben. Doch vielleicht hat es genau rechtzeitig „klick“ gemacht.

Denn in einer Zeit, in der Deutschlands Torhüter „nicht weltklasse“ sind, ist Wiese einer der besseren und könnte die unerwartete, aber richtige Antwort auf die in Deutschland derzeit diskutierte T-Frage sein. Adler, Neuer und vielleicht auch Rensing mögen große Talente sein, Enke ein solider Bundesligatorwart, doch allein Wiese kann von sich behaupten, regelmäßig auf hohem Niveau Spielpraxis gesammelt zu haben und dadurch gewachsen zu sein. Er hat in der Champions League und Uefa-Cup gehalten, dort in den von Fußballern begehrtesten Arenen der Welt denkwürdige Spiele gemacht: in Barcelona, Madrid, Rom, Mailand, Glasgow und, ja, auch in Turin. Es ist der Part im Fußballer-Leben von Tim Wiese, dessen Bilder er wohl am ehesten ausradieren würde aus seiner Karriere, wenn er denn könnte…

Der bitterste Moment im Leben eines Torhüters ist der direkt nach einem Fehler. Weil dann zahlreiche Spieler auf einen zukommen, um einem Mut zuzusprechen, als wäre alles halb so schlimm. Doch schlimmer als in einer KO-Runde kurz vor Schluss und gegen eine italienische Mannschaft einen Fehler zu machen, ist eigentlich nur Mitte der zweiten Halbzeit in einem WM-Finale gegen Brasilien einen Fehler zu machen. Wiese hat seinen „Kahn“ schon hinter sich und sich davon nicht unterkriegen lassen. Im Gegenteil. Er hat nicht nur auf der Linie die Qualität, sondern auch in Sachen Strafraumbeherrschung und Spielaufbau zu seinen Kollegen Lehmann (Strafraumbeherrschung) und Adler (Spielaufbau) aufgeschlossen. Dass Manuel Neuer in Topform im Spiel nach vorne eine Klasse für sich ist, erstens aber nicht in Topform ist und sich zweitens gerade einen Patzer in einem Bereich erlaubt hat, in dem man ihn eigentlich für stabil hielt, ist klar. Dass es bei Robert Enke schwerfällt, eine andere Stärke als seine altersbedingte Erfahrung aufzuzählen, spricht für sich.

Die Entscheidung, wer bei der WM 2010 in Südafrika im Tor steht, fällt zwischen Rene Adler und Tim Wiese. Wieses Vorteil ist nicht nur seine internationale Erfahrung, sondern auch, dass mit ihm niemand wirklich rechnet. Es kann gut sein, dass sich einige Journalisten noch wundern werden. Tim Wiese arbeitet daran, neben „Bundesligatorhüter“ und „Nationalspieler“ auch „(aktiver) Weltmeisterschaftsteilnehmer“ in seinen Lebenslauf schreiben zu dürfen. Ich meine, seine Chancen stehen besser denn je.

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Achja, und bitte nicht vergessen euch meinen ersten komplett selbst erstellten, getexteten und gesprochenen Beitrag bei KickerTV anzuschauen. Thema: Hertha BSC: >KLICK<

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Eine gute Niederlage

22. März 2009

Der Wetterumschwung kam unerwartet. Am Samstagvormittag lachte über Hamburg noch die Sonne, nur ein leichter Wind sorgte dafür, dass sich viele beim Alsterspaziergang zum Pulli auch noch eine Jacke überwarfen. Dann begann die Bundesliga, doch weder Himmel noch Temperaturen veränderten sich. Als die Spiele wenig später allerdings zuende waren, bließ plötzlich ein kalter Wind durch die Stadt. Über St. Pauli hinweg, bis hoch nach Eimsbüttel und auch um das Stadion des Hamburger SV. Es war kein normaler Windzug, der da durch Hamburg zog. Es war einer, der in ganz Deutschland zu spüren war, zur gleichen Zeit, mit der gleichen Windstärke, der gleichen Dauer. Es war: Das Aufatmen der Liga.

Ja, Hertha BSC ist schlagbar, die kochen auch nur mit Wasser die Berliner, die werden jetzt doch nicht Meister, HA HA!!! Deutschlandweit klopfen sich Experten auf die Schulter, beweihräuchern sich damit, doch Recht gehabt zu haben: Diese Hertha darf und wird nicht Meister werden. Dann können wir uns jetzt endlich auf den Titelkampf derer konzentrieren, die es qua Tradition verdient haben: Bayern und der HSV. Hoffenheim? Abgeschrieben. Wolfsburg? Mit Außenseiterchancen. Aber Hertha? Never, ever. Premiere-Kommentator Wolff Fuß ging sogar soweit, den Berlinern zu gratulieren, weil sie gut daran getan hätten, sich NICHT auf dem Berliner Rathaus-Balkon fotografieren zu lassen. Komisch, dass das – obwohl er es bestimmt nicht so meinte – hämisch klang, als HÄTTEN sie es getan.

Was ist passiert? Hertha hat ein Spiel verloren, gegen den VfB Stuttgart, 0:2. Ein Ergebnis das die Chancenlosigkeit der Herthaner ja quasi suggeriert. Man konnte richtig sehen, wie den Experten ein Stein vom Herzen fiel, als Stuttgart in Führung ging und nicht wieder dieser langhaarige Ukrainer irgendein Körperteil in den Ball werfen konnte, um Hertha zu einem weiteren Sieg mit einem Tor Unterschied zu verhelfen. Nein, der VfB hat stellvertretend für die ganze Liga gezeigt wie es geht. Zielstrebig nach vorne spielen, Hertha beschäftigen und dann die Chancen auch einfach mal nutzen, die sich bieten. So einfach ist das. Doch halt. Ganz so einfach war es dann nämlich doch nicht.

Nachdem mit der Verletzung Arne Friedrichs Herthas Herzstück – die Innenverteidigung – auseinandergerissen war, stand der Sieger für viele eigentlich schon fest. Doch Ersatzmann Kaka machte seine Sache defensiv sehr ordentlich und zum Teil sogar abgeklärter als der deutsche Nationalspieler zuvor. Kakas großes Problem ist das Spiel nach vorne, der Pass in die Spitze bzw. ins Mittelfeld. Allein in der ersten Halbzeit wechselte dadurch zweimal der Ballbesitz, als sich fast die gesamte Berliner Mannschaft in der Stuttgarter Hälfte befand. So kann man sich keine Chancen erspielen.

Doch das viel größere Problem an diesem Samstag war Joe Simunic. Ob der Kroate in der Kabine erfahren hatte, dass sein Abwehr-Kumpane Friedrich zwei Wochen ausfallen würde und war er deshalb deprimiert? Oder hatte er einfach vergessen, ein isotonisches Getränk zu sich zu nehmen? Jedenfalls verschlief Simunic die ersten sechs Minuten der zweiten Halbzeit komplett, was die Stuttgarter in Hertha-Manier – eiskalt – zu zwei Toren nutzten. Die Experten waren sich einig: Das war es, das Spiel ist entschieden. Nach vorne kann Hertha ja nicht. Lucien Favre reagierte, hatte allerdings nicht mehr allzuviele Möglichkeiten, da er durch die Auswechslung von Friedrich und die Herausnahme des mittlerweile nicht mehr tragbaren, weil erneuten Totalausfalls Marko Babic nur noch einmal wechseln konnte. Der Schweizer brachte Marko Pantelic, den er in den letzten Wochen allerdings derartig demontiert hatte, dass sich einige Stuttgarter Fans bei der Einwechslung des Serben fragten, wer das denn überhaupt sei, der da jetzt aufs Feld komme.

Schiedsrichter Kinhöfer hatte den Namen von Herthas ehemaliger Torgarantie allerdings nicht vergessen – und auch nicht seinen Sinn für Theatralik. Denn sonst hätte er zwei Minuten später wohl auf Elfmeter entschieden und keine Schwalbe des 30-Jährigen vermutet. Doch weil sein Ruf Pantelic vorausgeeilt war, gab es nur Abstoß. Eine – wie die Fernsehbilder zeigten – krasse Fehlentscheidung. Als es Pantelic sechs Minuten vor dem Ende auch noch fertig brachte, den Ball aus fünf Metern gegen das Bein von Stuttgarts Torwart Jens Lehmann zu schießen, fragte sich wohl auch Lucien Favre, wer das denn eigentlich sei, den er da aufs Feld geschickt hatte. Pantelic hatte sich im Abseits gewähnt – auch Kommentator Wolff Fuß sah das noch nach zwei Zeitlupen so. Schiri Kinhöfer jedoch weigerte sich einfach zu pfeifen. Die letzte Chance war vertan.

So unterlag Hertha am Ende verdient, und doch irgendwie unglücklich. So pflegen sie ja sonst eigentlich ihre Spiele zu gewinnen. Und genau aus diesem Grund ist diese Niederlage auch nicht dramatisch, ja vielleicht sogar zum richtigsten aller Zeitpunkte erfolgt. Denn:

  • Friedrichs Verletzung wird sich – so Gott in Person von Doktor Schleicher will – nicht auf den Ligabetrieb auswirken, da jetzt erstmal Länderspielpause ist.
  • Die Mannschaft hätte sich nach einem erneuten Sieg volle zwei Wochen anhören dürfen, wie toll sie ist, warum Hertha jetzt auf jeden Fall Meister wird und doch jetzt aber wirklich mal Fotos auf dem Rathaus-Balkon machen muss. Durch die Niederlage ist sie erst einmal raus aus dem Fokus der Öffentlichkeit, alles erwartet nun, dass sie durchgereicht wird. Hertha ist zwar immer noch Erster, gefühlt aber nicht mehr der Gejagte, sondern nur noch jemand, der bald ohnehin eingeholt wird.
  • Durch die Niederlage wurde der Mannschaft noch einmal gezeigt, dass das, was in den letzten Wochen über sie gekommen ist (Euphorie in der Stadt, Medienbeachtung) nur eine Momentaufnahme war. Um es längerfristig zu erhalten, muss sie nicht nur sagen, dass sie hart arbeitet, sondern es auch tun. Und genau das werden sie in den vollen zwei Wochen Länderspielpause tun.
  • Die Medien kommen jetzt – hoffentlich – ein bisschen zu Ruhe und berichten stattdessen über die Drittliga-Tabellenführung von Union, die Tatsache, dass der HSV jetzt aber doch bitte Meister werden muss oder über die Frage, wer denn eigentlich dieser Spieler ist, denn Favre da in Stuttgart eine halbe Stunde vor Spielende auf den Platz geschickt hat.

Denn, sind wir mal ehrlich, es war ja nicht nur die Chance die Pantelic vergeben hat. Man merkte ihm in jeder Situation an, dass ihm genau das fehlt, was ihn früher immer stark gemacht hat: Sehr viel Selbstvertrauen. Wenn er früher einen Haken gemacht und dann aufs Tor geschossen hat, versucht er nun, den freien Mann zu sehen. Das Problem: Es dauert zu lange. Wenn Pantelic ihn sieht, mit sich selbst ausgemacht hat, dass er jetzt tatsächlich abspielt und das dann motorisch umzusetzen versucht, ist der freie Mann gedeckt. Das war nicht nur in Stuttgart, sondern auch schon in Cottbus so. So hilft er der Mannschaft – so leid es mir tut – nicht weiter.

Nach dieser Niederlage ist es das Wichtigste, jetzt nicht ins Grübeln zu kommen oder an der Mannschaft zu zweifeln. Nicht alles über den Haufen zu werfen. Man könnte das Team sogar damit motivieren, indem man sagt: „Das wollen die doch alle nur!“ Aber darum geht es gar nicht. Niemand konnte ernsthaft erwarten, dass Hertha jetzt alle Spiele bis zum Saisonende gewinnt. Die von Joe Simunic ausgerufenen acht Siege aus zwölf Spielen sind immer noch realitisch erreichbar und ein lohnenswertes Ziel. Es gibt keinen Grund die Einstellung zu Hertha zu verändern. Denn es war das erste Mal in 2009, das erste Mal im achten Spiel, dass sie eine Niederlage wirklich verdient hatte. Weil Stuttgart an diesem Tag einfach die zwei Tore besser war. Weil viele Herthaner einen schlechten Tag hatten. Weil der Schiedsrichter den Elfmeter…nein, den Schuh brauchen wir uns nicht anzuziehen.

Wer jetzt zweifelt, hat das System Favre nicht verstanden. Fehler sind menschlich, weshalb auch die beiden Gegentore wieder etwas pädagogisch Wertvolles an sich hatten. Man hatte ja schon gedacht, ein Simunic wäre unfehlbar. Er wird allerdings nicht – wir früher vielleicht – an sich zweifeln, sondern einfach noch ein Stück härter an sich arbeiten. Das ist der Unterschied zur alten Hertha. Die Bundesliga wird sich noch wundern.

Und der Wind wird sich auch wieder verziehen…

Lesempfehlung: Michael Rosentritt bringt es im Tagesspiel auf den Punkt: „Hertha ist einen Tick zu cool“

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Zwangspause beendet

20. März 2009

Knut Kircher ist wieder da. Oder sollte ich eher sagen: Robert Kempter ist wieder da? Nicht nur medial, sondern auch auf der großen Bühne Fußball-Bundesliga darf der jüngste Profi-Schiedsrichter aller Zeiten sich endlich mal wieder präsentieren. Es ist ja auch schon eine Weile her, dass Kircher, Kempter und der eher unauffällige Stefan Lupp ein Team bilden durften und…nunja…zumindest fragwürdige Entscheidungen trafen.

Auf den Punkt einen Monat nachdem die drei alle guten Dinge oder besser: das Maß vollgemacht haben, stehen sie am Samstag im Dortmunder Stadion wieder auf dem Rasen. Was haben sie in der Zwischenzeit gemacht? Natürlich gearbeitet, Kircher wird seinem Job als Maschinenbauingenieur nachgegangen sein, Robert Kempter, Werkzeugmechaniker in seiner Heimat, Geld verdient haben. Ob Lupp, der, wie ich erst heute gelernt habe, nur noch als „spezialisierter Linienrichter für die Bundesliga“ tätig ist (wohl nachdem er in einem Zweitliga-Spiel einen falschen Spieler vom Platz gestellt hatte), immer noch BWL studiert, entzieht sich meiner Kenntnis, ist aber auch unwichtig. Viel wichtiger ist, ob es sich die anderen beiden, die zwar keine Erstliga-, dafür aber unterklassig Spiele leiteten, ihren erneuten Bundesliga-Einsatz überhaupt verdient haben.

Schauen wir uns zunächst einmal die Spiele an, in denen Kircher in den Wochen nach den drei für ihn bitteren Bundesligaspielen auf dem Platz stand. Fünf Tage nach dem Hertha-Spiel in Wolfsburg musste Kircher im Uefa-Cup ran, allerdings mit anderen Assistenten. Beim Rückspiel zwischen Metalist Kharkov und Sampdoria Genua hatte der deutsche Schiedsrichter aber auch nicht allzuviel zu tun. Vielleicht fühlte er sich aber auch einfach befreit, keinen 20jährigen mehr an der Seitenlinie zu haben.

Bei seinem nächsten Auftritt – wieder mit anderem Team und ohne Kempter – dem Zweitligaduell zwischen Kaiserslautern und Fürth machte Kircher einen guten Eindruck und erhielt vom Kicker dafür die Note 2.  Die Welt war wieder in Ordnung. Zwei Wochen später reichte es zwar „nur“ zu einer 3, immer noch ohne Kempter, diesmal auch nur noch in der 3. Liga, Paderborn gegen Emden. Aber man konnte sagen: Kircher hatte sich stabilisiert.

Und Kempter? Wurde danach in der zweiten, dritten und sogar vierten Liga eingesetzt. Am 1. März, bei Osnabrück gegen Ingolstadt (1:0) zeigte er eine starke Leistung (Kicker-Note 2), eine Woche später wiederholte er diese Note bei Burghausen gegen Wuppertal (2:0). War auch er aus der Talsohle heraus? Nicht ganz. Am Dienstag (17.03) stieg Kempter in die Niederungen der Regionalliga hinab, um das „Kleine Derby“ zwischen den jeweils zweiten Mannschaften vom 1. FC Kaiserslautern und dem FSV Mainz 05 zu leiten. Das Spiel endete 2:2. Drei Tore fielen durch Foulelfmeter, über die man laut FCK-Trainer Schwarz „sicher diskutieren kann.“ Auch auf der Website von Mainz 05 war man mit den Entscheidungen Kempters nicht wirklich zufrieden, „umstritten“ und „hart“ sind die dort benutzten Adjektive. Ein Ausrutscher. Vielleicht.

Nun aber wieder Bundesliga. Das alte Trio: Kircher, Kempter und Lupp (der in der Zwischenzeit, wenn meine Infos stimmen, überhaupt nicht im Einsatz war). Dortmund gegen Bremen. Ein Topspiel vor mindestens 80.000. Ich bin mal gespannt, ob es da wieder Probleme gibt. Ein nicht gegebenes Tor, ein Elfmeter, der keiner war, einen Ellenbogen-Check, der übersehen wird, ein Tor, das keins sein darf…viel darf sich Kempter – und eben auch Kircher – da nicht mehr erlauben.

Für Kircher, der mir vorher nie nachhaltend negativ aufgefallen war, und die Bundesliga hoffe ich, dass sich Kempter jetzt langsam fängt. Damit sein Chef nach dem Spiel nicht wieder vor Kameras wegrennen muss und das Duell zwischen Dortmund und Bremen einen leistungsgerechten Sieger erhält.

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Sie lernen es (leider) nie…

18. März 2009

Es ist Nacht in Berlin. Die Brandenburgische Straße in Wilmersdorf ist dennoch hell erleuchtet. Hier, unweit des Kudamms, ist die Straße vierspurig. Zwei in die eine, zwei in die andere Richtung. Zusätzlich gibt es Parkbuchten, damit die Berliner ihre Autos hier auch irgendwo abstellen können.

Zu ihnen gehört auch Patrick Ebert. Irgendwo in der Nähe wohnt der Bundesliga-Profi von Hertha BSC, der auch U21-Nationalspieler ist, Schirmherr des Kids-Clubs seines Vereins und vor allem: junger Erwachsener.

Am 17. März, einem Dienstag, feiert Ebert seinen 22. Geburtstag, ob in großem oder kleinem Kreis ist nicht überliefert. Sicher scheint jedoch, dass es ein Wiedersehen von Teilen der alten Clique von damals gab. Kevin-Prince Boateng ist mal wieder in der Stadt, der auch erst 11 Tage zuvor das gleiche Jubiläum vollzogen hatte. Boateng spielt derzeit in Dortmund, ist aber verletzt, und kann sich den Trip nach Berlin deshalb wohl auch erlauben. Ebert kann es eigentlich nicht. Morgens um 10 Uhr wird er auf dem Trainingsplatz erwartet.

Die jungen Männer feiern, Alkohol wird geflossen sein und irgendwann, so gegen 3 Uhr, entscheiden sich das Geburtstagskind und sein Kumpel aus alten Zeiten zu gehen. Ob aus einer Disco (vielleicht dem Exxell, was aber eher nicht die Musik der Jungs sein wird) nach Hause, ob von seiner Wohnung zu einer Tankstelle oder nur, um mal eben eine zu rauchen – wer weiß das schon, außer den beiden. Jedenfalls schlenderten die beiden über die Brandenburgische Straße, vorbei an den parkenden Autos und…

Was dann geschah, wurde laut Berliner Morgenpost von einem Mitarbeiter des Zentralen Objektschutzes (ZOS) beobachtet. Angeblich sollen die beiden Autos zerkratzt und Rückspiegel abgetreten haben. Letzteres kann dann eigentlich auch nur Ebert gewesen sein, da Boateng mit einem Teilriss im Sehnenansatz und der Gelenkkapsel im rechten Knie ein wenig gehandicapt sein dürfte. Jedenfalls wurde die Polizei alarmiert, die Personalien der beiden aufgenommen und sie dann wieder entlassen. Vermutlich ziemlich schlecht gelaunt.

Heute beim Training hat sich Ebert erwartungsgemäß nicht zu dem Vorfall geäußert. Hertha will die Angelegenheit nachvollziehbarer Weise möglichst schnell klären. Konsequenzen für Ebert sind wohl zu erwarten. Boateng war in Dortmund heute nicht zu sehen.

Nun darf man das Ganze natürlich nicht dramatisieren. Dass die beiden zu einer neuen Generation von jungen Erwachsenen zählen, die gerne mal ihre Grenzen austestet, ist nichts Neues. Dass diese Grenzen bei Vandalismus nicht halt machen – vor allem bei Jung-Profis, die sich über Geld keine Sorgen machen müssen – auch nicht. Dass Ebert aber wirklich so fahrlässig ist und sich nach seiner Promille-Fahrt im August vorletzten Jahres erneut etwas zu Schulden kommen lässt, schon eher. Eigentlich hatte man gedacht, der Junge wäre auf vernünftigem Boden angekommen. Das Gleiche dachte ich eigentlich auch über Kevin Boateng, oder hatte es zumindest gehofft.

Nun erfüllen die beiden wieder alle Klischees, die pauschal über sie geäußert wurden. Man muss wohl damit leben. Als Konsequenz für die Fußball-Vereine dieser Welt kann es einfach nur heißen, keine dieser früher mal als „Ghetto-Boys“ titulierten Spieler, zusammen in einem Verein spielen zu lassen. Zurzeit ist das mit Kevin in Dortmund, Ebert in Berlin, Jerome Boateng in Hamburg und Ashkan Dejagah in Wolfsburg ganz gut verteilt.

Konsequenzen bei Hertha sehe ich jedenfalls. Ebert wird in die Tasche greifen müssen, für das nächste Spiel suspendiert werden und der Kids Club muss sich dann wohl auch einen neuen Schirmherren suchen.

Schade eigentlich…

Update: Die Morgenpost recherchiert weiter und hat jetzt doch plötzlich einen O-Ton von Ebert auftreiben können. Ich möchte ihm glauben, wenn er sagt: „Das sind alles Lügengeschichten. Man hat nur Geburtstag und wird gleich verdächtigt.“ Von der Polizei sei er nicht vernommen worden.

Update 2: Ich gebe zu, ich war vorhin ziemlich genervt und habe deshalb auch einen sehr vorverurteilenden Artikel geschrieben. Eben hat Hertha eine offizielle Mitteilung rausgegeben, wonach Ebert zwar zugibt, von der Polizei angehalten worden zu sein, nachdem er auf (s)einer Geburtstagsfeier war, nicht jedoch, dass er und Boateng die Sachbeschädigung begangen haben.

Solange es also keine Beweise gibt, sollte die Unschuldsvermutung gelten, auch wenn es (mir und Enno) schwerfällt.

Ebert wird eine Geldstrafe erhalten. Von einer „Suspendierung“ (MoPo) ist in der Hertha-Mitteilung nicht mehr die Rede.

to be continued…

Update 3: So, ich weiß nicht, was Lucien Favre geträumt hat, aber nachdem er eine Nacht drüber geschlafen hat, hat er Ebert heute laut Bild bis auf Weiteres zu den Amateuren geschickt. Die können die Hilfe gut gebrauchen. Und Ebert rafft es jetzt hoffentlich, dass er bei seinem Verdienst und seinem Standing in der Öffentlichkeit entweder so feiern muss, dass es niemand mitbekommt, nur in Nächten feiern geht, auf die kein Trainingstag folgt  oder die nächtlichen Sauftouren eben auf die Zeit nach seiner Karriere verschiebt. Ein schweres Los, ich weiß…

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Meister-Songs

11. März 2009

Inspiriert von diesem Artikel (beim Durchlesen des Songtextes bekam ich – das gestehe ich als Gelegenheits-Hörer von „Ich und Ich“ ein – eine Mordsgänsehaut) und dem sich aktuell durch das Internet ausbreitenden Atzenmusik-Song, habe ich mich mal hingesetzt und ein paar Texte von Berliner Bands in eine ähnliche Richtung gedreht. Vielleicht fühlt sich der eine oder andere Künstler ja dazu ermuntert, sowas für uns „junge“ Fans mal zu schreiben, sodass wir im Stadion nicht zu Opern-Klängen schunkeln müssen, wenn Hertha wirklich Meister werden sollte.

1) Peter Fox – Blau und Weiß (zum Refrain von „Schwarz zu blau“)

Aufwachen Berlin! Wir holn die Meisterschaft!

Bald ist es soweit…

Ganz Deutschland wundert sich, aber Hertha steht bereit.

Es wird für euch wohl das beste sein, ihr schickt die Schale, wir sind heiß.

Während Berlin seine Farben ändert, langsam zu blau und weiß.

2) Die Ärzte – Hertha ist Meister (zum ersten Teil incl. Refrain von „Männer sind Schweine“)

Hallo Deutschland,
ihr liebt uns nicht, weil wir jetzt hier die besten sind,
die andern Teams stehn unter uns,
bewundern unsere Fußballkunst.

Wir sind so anders, ganz speziell,
und spielen für euch viel zu schnell,
Favre hats uns eingeimpft,
wir sind der neue Wirbelwind.

Gleich pfeift der Schiri,
dann ist es geschafft, Hertha holt die Deutsche Meisterschaft.

Hertha ist Meister, glaubt es oder lasst es sein,
Berlin ist total begeistert,
wir können stolz auf unsre Mannschaft sein.

3) Mia – Unsre Hauptstadt ist blau-weiß (zum ersten Teil incl. Refrain von „Tanz der Moleküle“)

Ich spiele hier, weil ich hier hingehör, von Kopf bis Fuß bin ich Berlin,

du bist Herthaner, wenn du uns Treue schwörst, zwischen all den Söldnern dieser Welt,

Spiel mich an, mit dem Ball, der dieses Spiel zu unserm Spiel macht,

Spiel ihn her, mit Gefühl, du schießt ihn rein und es kracht.

Uhuhuuuu Uhuhuhuuuuu
Meisterschaft!
Uhuhu…
Und unsre Hauptstadt ist blau-weiß!!!

4) Ohrbooten – An die Berliner (zum ersten Teil von „An alle Ladies„)

Ick muss gestehen, Hertha kieck ick gerne an.
Mir die anschaun, ey, dit könnt ick stundenlang.
Ins Stadion geh ick gerne imma wieda,
Fürs Überleben brauch ick Fans und deren Lieder,

Ick find dit toll, wie Hertha dit jemacht hat, ey, dit is Favres allerbeste Machart,
von wegen langsam, wir spieln schnell, und feiern jetzt die Meisterschaft, draußen wirds schon hell.

Hey, dieses Lied, geht an die Berliner, dies so gibt, Meister sind jetzt wir, die Party geht jetzt hier, wir rasten aus und gehn nich mehr nach Haus.

5) Die Ärzte – Hurra (zum ersten Teil von „Hurra„)

Weißt du noch, wie’s früher war?
Früher war alles schlecht
Berlin war grau, die Mannschaft mies
und Fußball furchtbar ungerecht
Doch dann, dann kam ein Schweizer –
und Hertha wurd Deutscher Meister!!!

Hipp, hipp, hurra!
Alles ist super, alles ist wunderbar

Hipp, hipp, hurra!
Hertha ist besser, als sies jemals war.

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Die Bahn drückt den Preis

5. März 2009

Die Meldung, die mich heute morgen ein bisschen überrascht hat, ist diese: Die Deutsche Bahn will Hertha weniger dafür zahlen auch über 2009 hinaus auf dem Trikot von Hertha BSC abgebildet zu werden.

Nun gut, schauen wir uns das Ganze mal an. Im Mai 2006 – Herthas Vertrag mit dem Telekommunikationsunternehmen Arcor war gerade abgelaufen – suchten die Manager nach einem neuen Trikotsponsor. Einer mit Zugkraft sollte es sein, der bereit war, viel (mehr) Geld in die Hand zu nehmen, um den Hauptstadtverein endlich dorthin zu begleiten, wo er nach der Meinung der Bosse hingehörte: In die Champions League.

Das pikante Detail, dass mir erst durch die heutige Meldung wirklich bewusst wurde, kommt in den Aussagen von Bahn-Chef Hartmut Mehdorn vor dem Wirtschaftsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses zum Tragen:

Als aber vor drei Jahren klar gewesen sei, dass Hertha keinen Trikotsponsor finden werde, habe sich die Bahn als Berliner Unternehmen entschlossen, hier einzuspringen. „Hertha kann man ja nicht untergehen lassen“, sagte Mehdorn.

Das ist für mich neu, weil ich nicht wusste, dass Hertha damals derartige Probleme hatte. Nach der Horror-Saison 04/05 wäre das noch verständlich gewesen, aber 05/06 war Hertha die Talsohle bereits durchschritten und Hertha mit Trainer Falko Götz auf Platz Sechs der Bundesliga gelandet. Dass sich in der damals noch nicht von der Wirtschaftskrise betroffenen Unternehmensbranche niemand fand, der seinen Namen auf dem Hertha-Trikot sehen wollte, unterstreicht nochmal, dass Herthas Image damals eine Katastrophe war.

Doch das ist nun anders. Hertha ist zurzeit „in“, die Mannschaft spielt tollen, zukunftsorientierten Fußball und der, der dafür verantwortlich ist, hat seinen Vertrag gerade bis 2011 verlängert. In dieser vielleicht hoffnungsvollsten Phase seit dem Aufstieg 1997 macht Hertha allerdings die Finanzkrise einen Strich durch die Rechnung. Es stellt sich nun die Frage, ob das Drücken des Preises für Hertha zu akzeptieren ist. Statt den bisher gezahlten 22 Millionen (ich dachte immer es wären 24 gewesen), sollen es ab 2009 nur noch 18 sein. Das wäre Arcor-Niveau von 2003. Und bei Herthas derzeitigem Erfolg ausschließlich durch die Finanzkrise zu legitimieren.

Herthas Manager müssen jetzt aufpassen, sich nicht komplett über den Tisch ziehen zu lassen. Natürlich ist die Finanzkrise nicht von der Hand zu weisen. Und natürlich ist der Gefallen (wenn es denn wirklich einer war und Mehdorn das nicht falsch interpretiert hat) den die Bahn Hertha 2006 getan hat, mit in die Verhandlungen einzurechnen. Aber bevor man einen Dumping-Vertrag unterschreibt, hat Hertha hoffentlich Augen und Ohren offen, um zu prüfen, ob nicht vielleicht noch andere (vielleicht Schweizer oder arabische?) Firmen Interesse an der Brust der Herthaner haben. Wenn es diese Interessenten gibt, sollte man der Bahn gegenüber keine falsche Loyalität aufbringen. Denn das Sponsorengeld der Bahn kommt vom Staat und ist somit ohnehin fragwürdig. Ist das nicht der Fall, sollte Hertha sehen, dass man den Vertrag schnell unterschrieben bekommt.

Spannend wäre dann noch die Frage der Vertragsdauer. Zwei Jahre? Drei? Oder sogar nur eins? Es ist ein Lottospiel, weil niemand weiß, ob sechs Millionen Euro in drei Jahren sehr viel oder schon wieder eher wenig sind.