Archive for April 2009

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Neue Sterne am Berliner Himmel

21. April 2009

Marko Pantelic liebt den großen Auftritt. Er gehört zu der Sorte, die extra spät auf einer Party erscheinen, um die Aufmerksamkeit für sich alleine zu haben. Wenn dann jemand noch später kommt, akzeptiert er das zwar, würde ihn aber indirekt beschuldigen, seine Idee geklaut zu haben. Marko Pantelic ist eigentlich ein Mann des Theaters. Vielleicht will er auch deshalb so gerne in Berlin bleiben, weil das Olympiastadion mit seinem speziellen Flutlicht genau diese Theateratmosphäre hervorrufen soll. Der Rasen ist die Bühne des Serben. Das Problem ist nur, dass er lange Zeit nur noch die Zweitbesetzung der Hauptrolle war.

Doch nun, am Sonntagnachmittag, bekam er seine Chance. Nicht als Aushilfe, nein, so richtig als Hauptdarsteller von Beginn an. Die Erstbesetzung hatte sich bei der letzten Aufführung arg daneben benommen. Die Bühne war frei, nur für ihn. Marko Pantelic liebt solche Geschichten und auch die Fans lieben sie. Die Situation war wie gemalt für ihn. Mit ein, zwei zusätzlichen Pinselstrichen hätte er das von Andrey Voronin und dem Rest der Mannschaft begonnene Gemälde derartig verschönern können, dass am Ende sein Name am größten am rechten unteren Rand zu sehen gewesen wäre. Drei Spiele, Bremen eingeschlossen, würde Voronin der Mannschaft fehlen. Drei Aufführungen Zeit für Marko Pantelic, den Fans das bereits geplante, aber nie realisierte Denkmal wieder in Erinnerung zu rufen, die verstaubte Blaupause wieder aus der Schublade zu holen.

Pantelic war sich dessen bewusst. Doch die Erwartungen der Fans und auch seine eigenen an sich schienen ihn zu hemmen. Nicht, dass er sich nicht bemüht hätte. Doch Bemühen allein reicht eben nicht – vor allem nicht im Theater. Folgerichtig wurde er zu Beginn des dritten Akts von Regisseur Favre vom Feld genommen und durch die Dritt- und Viertbesetzung ausgetauscht. Die Kritiken waren zurecht schlecht, auch wenn die Zuschauer im Theater das anders sahen. Aber sie wussten ja auch nicht, wie Favres Plan für den letzten Akt aussah.

Als Pantelic vom Platz ging, gab es die für das dramatische Theater typische Wendung. Neue Protagonisten treten auf den Plan und verändern das bisher Geschehene in eine wie auch immer geartete Richtung. In Herthas Fall in Richtung Happy End. Domovchyiski, Piszczek und Chermiti drehten das Spiel mit dem Schwung, den sie von der Bank mitbrachten. Aus einer schlechten Aufführung und einem unzufriedenen Publikum machten sie einen Kassenschlager. Piszczek, der vor seinen zahlreichen Verletzungen schon ansatzweise zeigte, wie er das Ensemble mit seiner überragenden Technik in eine andere Liga heben kann (und der gegen Bremen noch nicht einmal die Hälfte davon zeigen musste). Domovchiyiski, der mit seiner Dynamik und der für bulgarische Fußballer typischen Mischung aus Lässigkeit und Eleganz den Gegner schwindelig spielen kann. Und nur deshalb zuletzt, weil er den letzten Akt am meisten prägte: Chermiti, der Tunesier, der erst einmal ein paar Monate brauchte, um zu realisieren, dass er in Deutschland so bekannt ist, wie Mark Stein in Tunesien und allein durch seine Art Fußball zu spielen die Aufmerksamkeit auf sich lenken muss.

Er tat es in beeindruckender Art und Weise. Dass Chermiti schnell ist, wusste man. Dass er sich technisch nicht zu verstecken braucht auch. Aber irgendwie schwang bei dem erst 21-Jährigen immer eine unangenehme Art von Arroganz mit, die so gar nicht zu der Mentalität des schweizer Regisseurs bei Hertha zu passen schien. In der Wintervorbereitung fiel Chermiti vor allem dadurch auf, dass er bei einem Vorbereitungsturnier in Manier eines Francesco Totti einen Elfmeter genau in die Arme des Torwarts „chippte“. Das war typisch für seine Situation, denn so ein Ball geht in 90% der Fälle ins Tor. In 90% der Fälle fiel Amine Chermiti der Erfolg in den Fuß. In Berlin musste er dafür plötzlich hart arbeiten. Er tat es. Und wie es aussieht, wird er nun dafür belohnt. Wie er vor dem Siegtreffer von Raffael dem Brasilianer Naldo den Ball abluchste, war zwar eigentlich regelwidrig, aber vor allem verdammt clever. Chermiti erzwang das Glück, nachdem zuvor Cicero und dann er selbst per Kopf nur den Pfosten getroffen hatten und der Rückstand durch ein halbes Eigentor zustande gekommen war. Genau das war es, was den Herthanern bei den letzten drei Niederlagen in Folge gefehlt hatte. Und eben nicht Marko Pantelic.

Pantelics Chance auf sein Denkmal – so sehr ich es ihm gönnen würde – sind weiter gesunken. Am Himmel von Berlin zeichnen sich dafür langsam neue Sterne ab.

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Ticket des Grauens

14. April 2009

Ich habe mich lange, lange dagegen gesperrt, die Meisterschaftschancen von Hertha ernst zu nehmen. Das hatte nichts damit zu tun, dass ich nicht gemerkt hätte, dass die Mannschaft einen zielstrebigen und – auch wenn ich mittlerweile nicht mehr hören kann – effizienten Fußball spielte und deshalb erfolgreich war, sondern war reinem Aberglauben geschuldet. Ich tippe schon die ganze Saison in allen Tippspielen gegen meine eigene Mannschaft und es hat bis zum 21.03.2009 – der Niederlage in Stuttgart – hervorragend funktioniert. Deshalb habe ich nie laut ausgesprochen, dass Hertha es vielleicht doch schaffen kann. Ich habe es mir natürlich in allen Farben ausgemalt, habe nach jedem Sieg insgeheim davon geträumt, dass das Unwahrscheinliche wahr werden könnte, aber nach außen getragen habe ich es nie. Weil ich Angst hatte, dass mich die Realität mit voller Wucht einholt.

Doch irgendwann, nach dem Sieg in Cottbus, ist etwas in mir passiert. Nicht, dass ich nicht auch weiterhin gegen Hertha getippt hätte, nein, es war etwas anderes. Am 9. März bekam ich eine Mail von einem meiner Kumpel, mit denen ich früher immer ins Stadion gegangen bin, als ich noch in Berlin gewohnt habe. Er fragte mich, ob ich bei Hertha nicht mal nachfragen könnte, ob es schon Karten für das letzte Saisonspiel in Karlsruhe gäbe. Schließlich hatte ich da ein Jahr lang gearbeitet und habe immer noch gute Kontakte in die Geschäftsstelle. Also schrieb ich eine Mail an den Fanbeauftragten und bekam die Antwort, dass ich ihm schnell die Bankverbindung und die Anzahl der Karten sagen solle, damit es keine Verzögerungen gäbe, wenn die Karten da wären. Ich überlegte. Mein Kumpel wollte fünf Karten, ein weiterer 3. Und ich? Sollte ich mir das entgehen lassen? Angenommen Hertha schafft es wirklich bis zum letzten Spieltag in Karlsruhe das Rennen um den Titel offen zu halten, wäre es dann nicht eine Katastrophe dort nicht dabeizusein? Zumal ich schon die WM nicht im Stadion erlebt habe. Noch etwas, das in 30-50 Jahren vielleicht einmal vorkommt. Ich bestellte mir ein Ticket. Das war am 10. März.

Am 12. März schlug Hertha zu Hause Bayer Leverkusen durch ein Voronin-Tor mit 1:0 und festigte seine Position als Tabellenführer. Vier Punkte Vorsprung. Zu meinem besten Kumpel in Berlin sagte ich damals so etwas wie: „Ganz ehrlich, sie müssen nicht Meister werden, aber ab Platz Vier wäre die Enttäuschung schon riesengroß.“ Ich war voller Euphorie und freute mich auf die kommenden Spiele. Doch zunächst folgte am 16. März – fünf Tage vor dem Spiel in Stuttgart – die Bestätigung von Hertha, dass die Karlsruhe-Karten bereitlägen. Ich hatte also eine Karte für das letzte Spiel dieser vielleicht historischen Saison. Warum ich mich nicht glücklich, sondern ein wenig beklemmt fühlte, erklärte sich in den Wochen darauf.

Hertha verlor nicht nur in Stuttgart (was ich fälschlicherweise als „Eine gute Niederlage“ bezeichnete), sondern nach der Länderspielpause auch zu Hause gegen Dortmund und dann in Hannover. Und Hertha verlor nicht wie sonst knapp mit einem Tor. Nein, 0:2, 1:3, 0:2. Ich habe lange überlegt, ob ich thematisieren soll, dass Hertha in allen vier Spielen, die in der Rückrunde verloren gingen, vom Schiedsrichter benachteiligt wurde. Ich habe mich dazu entschieden, es kommentarlos zu erwähnen. Die Wolfsburg-Pleite habe ich bereits in einem anderen Artikel auseinandergenommen. In Stuttgart stand es  bereits 0:2 als Marko Pantelic im Strafraum glasklar zu Fall gebracht wurde, deshalb kann niemand wissen, was geschehen wäre, hätte Hertha in der 64. Minute den Anschlusstreffer erzielt. Gegen Dortmund lagen die Berliner schnell 0:1 hinten und erspielten sich danach Chance um Chance, der Ausgleich fiel jedoch erst in Hälfte Zwei. Was gewesen wäre, wenn Schiri Weiner bereits nach einer halben Stunde beim Foul von Weidenfeller an Voronin auf den Punkt gezeigt hätte (was die richtige Entscheidung gewesen wäre), kann man leider nicht mehr rekonstruieren. Letztes Beispiel, und dann ist es auch gut: Hannover, es steht 0:2, Hertha drängt auf den Anschlusstreffer. In der 70. Minute fällt er auch, doch Schiri Kempter entscheidet auf Abseits. Wieder eine Fehlentscheidung, wieder keine Aufholjagd, weil der Ball auch in der Folge einfach nicht ins Tor will.

Natürlich will ich hier keine Verschwörungstheorien erwecken, es ist einfach das Pech, dass Hertha in der kompletten Phase bis zum 24. Spieltag nicht hatte und dass sich jetzt wie eine Dunstglocke über die Mannschaft gelegt hat. Hertha hat sich in den Spielen gegen Dortmund und Hannover mehr Chancen erspielt, als bei den Siegen über Leverkusen (Hin- UND Rückspiel), Hoffenheim und Bayern zusammen. Das Glück ist einfach nicht mehr da, dass sich die Mannschaft in diesen Spielen aber auch regelmäßig erzwang. Was fehlt ist die Effektivität, die irgendwo zwischen der Mecklenburgischen Straße in Charlottenburg und dem Olympiastadion abhanden gekommen zu sein scheint. Denn seit dem nächtlichen Ausflug von Patrick Ebert nach dem Leverkusen-Spiel hat Hertha keinen einzigen Punkt mehr geholt. Lucien Favre hat immer wieder betont, dass es an Kleinigkeiten liegt und man die

Vielleicht liegt es aber auch an etwas anderem. Eine Eintrittskarte für das letzte Saisonspiel in Karlsruhe kann manchmal nämlich große Auswirkungen haben…

(Weshalb ich auch entschieden habe, sie wieder abzugeben. Wer sie haben will, schreibt mich in den Kommentaren an. Originalpreis 11 Euro. Für 10 gehört sie euch 😉 )