Manchmal bin ich selber erstaunt, wie lange ich schon Fußball spiele. Es war irgendwann im Sommer 1990, ich war fünf Jahre alt und ein bisschen schüchtern. Ok, ein bisschen ist untertrieben. Ich stand – so erzählen es alle, die dabei waren – während der gesamten Trainingseinheit am Gitterzaun hinter dem Tor und traute mich nicht, mitzuspielen. So, jetzt ist es raus. Das Ganze ist mehr als 18 Jahre her, in denen ich ununterbrochen Fußball gespielt habe. Wie ich am vergangenen Wochenende feststellte, hat diese Zeit nicht gereicht, um jede Regel dieses wunderschönen Spiels zu kennen. Dabei hielt ich mich für kundig. Nunja…
Wie bereits mehrfach in diesem Blog erwähnt, spiele ich mittlerweile in einem kleinen sympathischen Klub namens „Holzpfosten Schwerte„. Keine Freizeitmannschaft, aber – wie man bei uns sagen würde – Totenliga. Allerdings laufen wir wesentlich schneller über den Platz, schießen wesentlich mehr Tore und sind vermutlich auch erfolgreicher, als es Zombies und die meisten gegnerischen Teams aus unserer Liga jemals könnten. Dass man in diesen unteren Liga mitunter bizarre Spiele erlebt, davon hatte ich bereits in Berlin ab und an gehört. Als ich noch in der B-Jugend spielte, war unsere Männermannschaft z.B. als das schlechteste Team Deutschlands jeden Montag im Sat1-Frühstücksfernsehen zu sehen. Und aktuell hat sich Inter Bochum via SternTV,Bild.de, anderer Medien und irgendwann bestimmt auch dreistelligen Niederlagen auch überregional zu einer Prominenz ge-niederlagt. Es gibt eben wirklich kuriose Dinge im Fußball.
Trotzdem musste ich 18 Jahre lang spielen, um solch ein besonderes Spiel auch einmal mitzuerleben. Als wir mit den Holzpfosten am Sonntag beim FC Mladost Iserlohn antreten sollten, deutete sich schon beim Warmmachen an, dass auf diesem Schotterplatz kein ernstzunehmendes Fußball-Spiel stattfinden würde. Denn auch fünf Minuten vor dem Anpfiff war der Gegner noch nicht draußen, um sich warm zu machen. Irgendwann drang es zu uns auf den Platz durch, dass Mladost nur sieben Spieler zusammen habe. Sieben Spieler? Soviel wusste ich, damit könnte das Spiel angepfiffen werden. Mladost wusste das offenbar auch. Was aber viel wichtiger für sie war: Hätten sie zum Anpfiff keine sieben Spieler aufbieten können, wäre eine Verbandsstrafe fällig geworden. Doch Mladost lief auf. Woher sie diese Spieler auch immer hatten – vermutlich hätte eine genauere Nachfrage des Schiedsrichters bei der Passkontrolle die anschließende und denkwürdige Farce verhindert.
So begann das Spiel. Wir, fast in Besetzung, nur Phillip Oldenburg fehlte aus beruflichen Gründen, gegen sieben wackere Iserlohner. Es sind mit Sicherheit nicht solche Spiele, für die man am freien Sonntag früh aufsteht, um rechtzeitig auf irgendeinem entweder staubigen oder matschigen Platz zu stehen. Zumal in der Kreisliga immer die Gefahr besteht, dass der Gegner EINEN starken Spieler hat, der alle Tore erzielt. Deshalb gingen wir mit der Devise in die ersten Minuten, den Gegner auf keinen Fall zu unterschätzen. Da hatten wir allerdings noch nicht mit dem nunja, engagierten Schiedsrichter gerechnet.
Wir gingen ziemlich schnell mit 1:0 in Führung, was mich persönlich beruhigte, weil ich – bis auf das was dann kommen sollte – schon eine ganze Menge erlebt habe. Wir spielten auch danach eigentlich einen guten Ball, doch ins Tor wollte dieser danach zunächst für ein paar Minuten nicht mehr. Das lag einerseits am schon erwähnten Schiedsrichter, der wirklich in unglaublicher Penetranz jeden auch nur ansatzweise abseitsverdächtigen Pass abpfiff und andererseits an unserer Unfähigkeit diese „Abseitsfalle“ zu umgehen. So dauerte es fast 10 Minuten bevor wir endlich wieder trafen – ich glaube durch einen Alleingang. Mit dem 2:0 war Mladost dann jedenfalls endgültig geschlagen. Die Gegenwehr wurde – mit Ausnahme des hochmotivierten Torwarts und des langbeinigen Stoßstürmers – immer geringer. Bis zum Stande von 6:0.
Denn von da an wurde das Lied der „Zehn kleinen Negerlein“ auf den Fußballplatz adaptiert. Nach und nach verabschiedete sich ein Spieler nach dem anderen, griff sich dabei an den Oberschenkel, die Wade oder den Fuß. Schon nach dem ersten vom Platz gehenden Iserlohner kam mir in den Sinn, dass der Schiedsrichter das Spiel doch jetzt eigentlich hätte abbrechen müssen. Nach meinem unzureichenden Regelverständnis jedenfalls. Und auf der Playstation ist nach der vierten rote Karte auch immer Schluss gewesen. Doch so einfach ist das gar nicht. Denn wirklich erfasst ist dieser Fall in den Regeln gar nicht.
Die Regel, dass jedes Team zu Beginn des Spiels mindestens sieben Spieler aufbieten muss, habe ich bereits erwähnt. Das Internationale F.A. Board (IFAB), also diese Organisation die für die internationalen Fußballregeln zuständig ist, ist danach folgender Ansicht:
Unterschreitet ein Team diese Mindestanzahl von sieben Spielern, weil einer oder mehrere Spieler das Spielfeld absichtlich verlassen haben, ist der Schiedsrichter nicht verpflichtet, das Spiel zu unterbrechen, und darf auf Vorteil entscheiden. Bei der nächsten Spielunterbrechung darf der Schiedsrichter die Partie nicht fortsetzen, wenn ein Team nicht mehr über die erforderlichen sieben Spieler auf dem Feld verfügt.
Soviel zur Empfehlung des IFAB. Denn über eine Mindestanzahl an Spielern entscheiden die einzelnen Mitgliedsverbände selbst. Und der DFB hat sich für folgendem Passus entschieden:
Bei weniger als sieben Spielern ist das Spiel auf Wunsch des Spielführers abzubrechen, wenn das Ergebnis für den Gegner lautet.
Tja, der Spielführer von Mladost wollte aber nicht, dass das Spiel abgebrochen wird. Also lief es weiter. 11 gegen 6. 11 gegen 5. 11 gegen 4. 11 gegen 3. 11 gegen 2. Als nur noch der Torwart und der langbeinige Stürmer auf dem Platz stand, hatte der Schiedsrichter dann aber doch ein Einsehen und brach das Spiel mit der Begründung ab, dass beim Anstoß zwei Spieler im Mittelkreis und ein Torwart im Tor stehen müsse. So eine Regel habe ich zwar nicht gefunden (kennt sie jemand?). Froh darüber, dass dieses Trauerspiel nach etwas mehr als einer halben Stunde und beim Stande von 9:0 beendet wurde, war ich aber trotzdem.
Spielbericht in den RuhrNachrichten + 1. Nachbericht (weitere Folgen)
Spielbericht in der WestfälischenRundschau
Nochmal zusätzlich lustig wird die Sache, weil – und das ist wirklich kein Witz – Sat1 am Mittwoch beim Training vorbeikommen wird, um einen Beitrag über das Spiel zu drehen.