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Ein neues Gefühl

14. Januar 2009

Der BVB und ich – das hat hier nie so richtig geklappt. Ich wurde bepöbelt und habe einen Schlag abbekommen, weil ich mit einem Hertha-Trikot vom Fanblock zum Bus laufen wollte. Einem Freund von mir wurde der Schal „abgezogen“ und nur nach Intervention einer weiblichen Person wieder herausgegeben. Und außerdem hat Hertha – seit ich hier bin – noch nicht in Dortmund gewonnen. Letzteres wäre nicht mal so gravierend, wenn die Mannschaft von Lucien Favre regelmäßig unterlegen gewesen wäre. Aber das war sie ja nicht.

Ich hatte diese Abneigung gegen den BVB nicht immer. Als die Borussia Mitte der 90er Jahre zweimal Deutscher Meister wurde und die Champions League gewann, Lars Ricken regelmäßig auf den Postern der BravoSport auftauchte und all die Bayern-Fans um mich herum regelmäßig eins auf den Sack bekamen, da hatte ich sogar Trikot, Schal und Bettwäsche in schwarz-gelb. Das werden eingefleischte Fans nicht verstehen können, allerdings hat mein wirkliches Fußball-Bewusstsein erst eher spät eingesetzt – allerdings immer noch rechtzeitig um behaupten zu können, ich wäre nicht erst seit dem Aufstieg von Hertha 1997 Fan des Klubs. Ich war es bereits ein Jahr zuvor und zwar ziemlich genau vor dem ganzen Aufstiegshype. Man kann also sagen, ich habe meinen Anteil an der rasanten Entwicklung von Hertha 😉

Man muss das alles wissen, um mein gespaltenes Verhätlnis zum BVB zu verstehen. Ich mochte diesen Klub ja mal. Doch als ich hier ankam war ich eingefleischter Herthaner und obwohl ich es manchmal ernsthaft versuchte, konnte ich für den Verein, der in der Stadt in der ich lebe das Gesprächsthema Nummer Eins ist, einfach keine Sympathien empfinden. Das änderte sich auch nicht, als Jürgen Klopp hier unterschrieb. Die Arbeit des ehemaligen Fernseh-Bundestrainers schätze ich zwar, an meiner Abneigung für den BVB konnte aber auch er nicht rütteln.

Und jetzt holt dieser Klub Kevin-Prince Boateng. Einen Berliner. Vielmehr: Einen großartigen Fußballer, der aus Berlin kommt.

Kevin-Prince Boateng ist einer dieser – gerade durch Lothar Matthäus in Abrede gestellten – individuellen Typen wie Christiano Ronaldo oder Lionel Messi. Dass der Vergleich hinkt, daran ist Boateng selbst schuld. Er hat die Anlagen, ist einer dieser verrückten Instinktfußballer, quasi das komplette Gegenteil eines Arne Friedrich. Boateng kann ein Spiel alleine entscheiden, mit einer genialen Aktion, mit einer Idee, die nur er hat. Man muss ihn nur lassen. Die englische Liga kam für einen wie ihn wohl noch etwas zu früh oder besser: Tottenham war in der schwierigen Phase dieses Klubs nicht bereit für einen wie ihn. Denn einer wie er, jung und gewitzt, macht auch Fehler und die werden in den unteren Tabellenregionen – in denen sich Tottenham aufhält – bitter bestraft. Sooft wie Lio Messi im Dribbling den Ball verliert, könnte eine abstiegsgefährdete Mannschaft ihn gar nicht zurückgewinnen. Bei Barcelona ist das möglich, die starke Defensive ermöglicht ihm seine Geniestreiche.

Beim BVB steht die Defensive auch, Geniestreiche von Boateng zu erwarten, wäre zu diesem Zeitpunkt allerdings vermessen. Er kommt als Ergänzungsspieler. Nicht mehr und nicht weniger. Aber er hat – ich wiederhole mich – das Zeug zum Stammspieler beim BVB. Ich will ihn nicht in den Himmel loben, das hat ihm noch nie gut getan, aber der Name Boateng in Verbindung mit diesem Ruhrpott-„Käwinn“ und diesem „Prince“, dem Sohn eines Königs, das verheißt nicht nur phonetisch einiges. Das Problem war ja auch nie sein Fußball-Spiel, sondern stets nur sein Umfeld, in dem es immer wichtiger war „cool“ zu sein und sich mit den anderen (Trainern) anzulegen, statt einfach mal den Mund zu halten und besser zu trainieren.

In England hat er das nun hoffentlich gelernt, auch wenn die geringe Anzahl seiner Einsätze in der ersten Mannschaft und die Fehler, die er gemacht hat, nicht gerade dafür sprechen. Mut macht der Berater-Wechsel, dem er sich unterzogen hat. Weg von Karel van Burik, dem Vater des bei Hertha in Ungnade gefallenen Ex-Kapitäns Dick, hin zu Jörg Neubauer, der in seinem Portfolio schon ehemalige „Problemfälle“ wie Ashkan Dejagah, aber auch Musterprofis wie Rene Adler oder den schon angesprochenen Arne Friedrich hat. Neubauer ist seriös – was ich van Burik nicht in Abrede stellen will. Dennoch hat der Wechsel zu Tottenham im Nachhinein nur dem Berater und Hertha BSC geholfen, das für einen 20-Jährigen knapp acht Millionen Euro überwiesen bekam. Neubauer wird seinen Schützling nun ganz genau beobachten, er weiß, dass er einen Rohdiamanten vor sich hat. Schleifen muss diesen zunächst einmal Dortmund-Coach Jürgen Klopp, der sich aber mit widerwilligen und schwierigen Karätern auskennt.

Boateng hat es jetzt in der Hand. Klopp wird ihm keinen Teppich ausbreiten und ihm nächtliche Touren durch die Nightrooms oder das Village durchgehen lassen. Ic hoffe aber einfach, dass er da zumindest in diesem Halbjahr erst einmal überhaupt nicht auftaucht. Ich wünsche es diesem Ausnahmefußballer, dass er endlich den Durchbruch schafft. Boateng ist mein Bindeglied zu Borussia Dortmund. In Zukunft wünsche ich dem Klub, vor allem aber Boateng, nur das Beste. Solange Hertha vorne bleibt – versteht sich von selbst.

Ein Kommentar

  1. Ehrlich gesagt habe ich etwas Bauchschmerzen, wenn ich Kevin-Prince Boateng, Cristiano Ronaldo und Lionel Messi in einem Atemzug lese. Ohne Zweifel ist Boateng hochveranlagt (sein Bruder Jerome meiner Meinung sogar noch mehr), doch für den Durchbruch bedarf es eben auch einer gereiften Persönlichkeit. Dem BVB kann man wohl trotzdem gratulieren, denn für 100.000 Euro Leihgebühr plus Kaufoption hält sich das Risiko in Grenzen. Warten wir es ab!
    Schöner Blog im übrigen!



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