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Keine Spitzenmannschaft

2. November 2008

Eindeutiger hätte Werder Bremen die Frage aus dem vorangegangenen Post nicht beantworten können. 5:1 – ein Ergebnis, dass sich die Bremer nach den ernüchternden Ergebnissen der letzten Wochen wohl selbst nicht zugetraut hätten. Hertha machte es dem Gegner allerdings auch alles andere als schwer. Aber der Reihe nach.

Das Unheil begann bereits bei Bekanntgabe der Mannschaftsaufstellung. Die Verletzung von Jaroslav Drobny machte die Runde im Weserstadion und mit ihr auch der Name Christopher Gäng. Die eigentliche Nummer Drei von Hertha war plötzlich die Nummer Eins und sollte gegen den besten Sturm der Liga sein Bundesliga-Debüt geben. Dass das für einen 20-Jährigen nicht zwangsläufig ein Reinfall sein musste, hatte man auf Schalke bei Manuel Neuer (und bei Neuers Verletzung auch bei Ralf Fährmann), aber auch in Leverkusen mit Rene Adler und bei Florian Fromlowitz von Hannover 96 gesehen. Die junge deutsche Torhüter-Generation macht ihrem Ruf alle Ehre, doch irgendwie scheint Christopher Gäng, ein Mannheimer, nicht mit dem Trend gehen zu wollen. Den ersten Schuss – normalerweise für einen Torhüter richtungsweisend – hielt er fest. Doch Sicherheit gab ihm diese Aktion nicht. Im Gegenteil.

14 Minuten waren gespielt, als Bremens nach Verletzungspause zurückgekehrter Spielmacher Diego eine Ecke mit Drall in Richtung Tor schlug. Gäng ging zum Ball, verfehlte ihn und Gojko Kacar war so überrascht davon, dass selbst ein Völkerball-Profi sich nicht mehr aus der Flugbahn hätte werfen können – Bremen profitierte vom Eigentor des Serben und führte 1:0. Ein ungewöhnliches Gefühl für die Herthaner. Denn in dieser Saison hat die Mannschaft von Lucien Favre nur einmal im fremden Stadion zurückgelegen: Beim 1:4 in München. Der einzigen Auswärts- und bis dahin höchsten Saisonniederlage.

Doch da war ja noch die Verunsicherung der Heimmannschaft, die im gesamten Oktober sieglos geblieben war und nur vier Tage zuvor an gleicher Stelle Bayer Leverkusen mit 0:2 den Vortritt lassen musste. Würde sie sich am ersten Novembertag fortsetzen? Oder würde das Geschenk von Gäng die alte Bremer Torgefährlichkeit – ihre Spielfreude und Durchsetzungskraft, all das was diese Mannschaft von Thomas Schaaf in den letzten Jahren und auch zu Beginn dieser Saison ausgemacht hat – nun wieder emporkommen? Nun, es kam. Und wie. Mesut Özil, der Linksfuß, der die Verletzungsphase von Diego für Werbung in eigener Sache genutzt hatte, lupfte dem mit dem Rücken zum Tor stehenden Brasilianer den Ball genau auf den Fuß, von wo sich Diego drehte und den Ball in den Winkel zauberte. Das 2:0 in der 20. Minute und zugleich der Einbruch des letzten Berliner Widerstandes.

Der Rest war eine Demontage, die die in den letzten Wochen aufgrund der erstaunlichen Punkteausbeute gestiegenen Ansprüche im Berliner Umfeld auf Normalmaß zurückstutzen sollte. Rosenberg und zweimal Pizarro erhöhten auf das bekannte Ergebnis, lediglich Cicero störte die Auferstehungs-Party im Wederstadion mit seinem zwischenzeitlichen 4:1. Christopher Gäng versuchte zu diesem Zeitpunkt immer noch, nicht das gleiche Schicksal wie Herthas letzte Nummer Zwei zu erleiden. Als Christian Fiedler genau wie heute verletzt war und Jaroslav Drobny noch in Bochum spielte, da durfte der Däne Kevin Ellegaard für zwei Spiele das Tor der Berliner hüten. Nach wenigstens einem ordentlichen Spiel gegen den VfL Wolfsburg (2:1), folgte eine 0:5-Niederlage in Hannover. Fünf Gegentore in einem Spiel – das war das Ende seiner Zeit in Berlin. Ellegaard steht mittlerweile in seiner Heimat für Randers FC zwischen den Pfosten.

Die Rückkehr zu seinem Ex-Klub Waldhof Mannheim steht für Gäng zwar in nächster Zeit noch nicht auf dem Programm – er hat Vertrag bis 2010 – aber Lucien Favre wird in der Vorbereitung auf das Sonntags-Duell mit dem Tabellenführer aus Hoffenheim wohl einen Ausflug in die Gedächtniskirche unternehmen, um einen Kerze für die Genesung Drobnys anzuzünden. Die torhungrigen Ibisevics, Obasis und Bas werden sich nicht für die Karriere eines jungen Torhüters interessieren. Und wenn Christian Fiedler im Februar wieder zurück ist, wird es für Gäng ohnehin schwer, sich noch einmal zu zeigen. Jedenfalls haben im Bremer Weserstadion ja schon so manche erfolgreiche Profi-Karrieren ihren Anfang genommen (Ailton, Frings, Pizarro) oder ihre Fortsetzung gefunden (Diego, Micoud, Pizarro). Welchen Lauf die noch junge von Christopher Gäng nehmen wird, hat sich nicht heute entschieden. Der Saisonverlauf seines Vereins könnte mit diesem 1:5 allerdings einen entscheidenden Knacks bekommen haben. Wie sagte Bremens Tim Wiese nach dem Spiel? „Der Sieg gibt uns Selbstvertrauen für den Kampf um die oberen Plätze.“ Herthas Arne Friedrich hatte vor dem Spiel dagegen gesagt: „Wir werden in der Öffentlichkeit gerade etwas überschätzt.“ Insofern war das Ergebnis folgerichtig. Und Hertha bleibt der Aufbaugegner Nummer Eins.

Dazu passend schreibt der Berliner Kurier: Wenn du eine Krise beenden willst, spiele einfach gegen Hertha BSC.

Meine Bild-Schlagzeile wäre übrigens gewesen: Gäng-Bäng – Bremen knallt Hertha weg

2 Kommentare

  1. Moin Daniel,
    schöner Artikel. Solche Siege trauen sich die Bremer immer zu. Sekt oder Selters(VILSA).
    Der Fehler von eurem Keeper war spielentscheident und das geniale Tor von Diego besiegelte
    frühzeitig den Sieg. Das Spiel wie man gegen Werder gewinnen kann war nicht mehr durchführbar.
    Hinten tief stehen , die Bremer Verteidigung macht dann schon irgendwann einen Fehler.
    Mir ist häufig aufgefallen das die Bremer stark anfangen, wie auch gegen Leverkusen, aber dann
    schnell nervös werden. , wenn der Treffer nicht fällt. Dies wirkt sich durch viele Fehlpässe und Ideenlosigkeit aus. Es fehlt dann einer wie Ivan Klasnic, der nicht lange fackelt und einfach mal drauf haut. Dies blieb uns gestern durch die frühen Treffer erspart. Als Aufbaugegner Nr 1 würde ich euch allgemein nicht bezeichnen, aber im diesen Fall wohl schon. Das hoffe ich jedenfalls, dass der Knoten
    jetzt platzt und auch 3Punkte in der CL eingefahren werden.

    Grüße aus dem Lachtetal
    Dieter


  2. […] zu tun (Neuer debütierte gegen Aachen, Adler gegen Schalke, beide zu Null). Gäng jedenfalls bekam die Bude voll, als er das eine Mal aushelfen durfte. Anschließend durfte Jesus wieder ins Tor. Ist aber auch […]



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